ChatGPT: Was nutzt uns das, Herr Meier?

Der Hype um ChatGPT ist immens. Zu Recht? Die Software von OpenAI generiert auf Knopfdruck eigenen Text nach spezifisch gestellter Aufgabe. Philipp Meier, CEO der Apostroph Group, über die Nutzbarkeit von ChatGPT und über Sprache in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz.

Philipp Meier Group CEO von Apostroph

Herr Meier, alle sprechen über ChatGPT. Sie auch?

Auf jeden Fall. Die Software ist zweifellos eine neue Stufe in der künstlichen Intelligenz.

Waren Sie überrascht, als OpenAI die Software im November wie aus dem Nichts präsentierte?

Es war eine Frage der Zeit, wann sie kommt. Wenn man bedenkt, dass es die Disziplin der Computerlinguistik, also die Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Informatik, schon seit den Fünfzigerjahren gibt, hätte man durchaus früher damit rechnen können.

Der Chatbot generiert Texte jeder Art, in allen wichtigen Sprachen – genau Ihr Geschäftsmodell. Beunruhigend?

KI und die Apostroph Group – das ist eine bewährte und lange Liaison. KI ist da, wo es sinnvoll ist, seit Jahren in unsere Arbeitsprozesse integriert – und kann bei Bedarf inzwischen in unserer ganzen Dienstleistungskette implementiert werden. Unsere Sprachprofis und Software-Entwickler setzen sich seit mehr als zwei Jahren mit dem Thema Deep Learning auseinander. Und seit letztem Sommer intensiv auch mit der Text-Generierung auf Basis von GPT-3 – ganz und gar nicht beunruhigt, sondern neugierig und fasziniert. Im vierten Quartal 2022 sind wir mit einer Beta-Version von unserem apoWRITER auf den Markt gegangen. Wir haben also unseren eigenen KI-Texter, seit Januar sogar mit kundenspezifischen Funktionalitäten.

In Bezug auf Text-Generierung ist es ein KI-Quantensprung, oder?

Dem würde ich zustimmen. Aber die Basis war schon da – und die kennen wir eben schon sehr gut aus unserer Kerndisziplin Übersetzung: Deep Learning. Daraus entstanden in den letzten Jahren immer bessere Tools für die automatisierte Neuronale Maschinelle Übersetzung, kurz NMT. Mensch und Maschine machen den Job gemeinsam.

Und wo ist der Link zum ChatGPT?

Auch hier ist Deep Learning der Schlüssel. ChatGPT stützt sich auf seine Trainingsdaten und seine neuronale trainierte Netzwerk-Architektur, extrahiert die relevanten Informationen, um eine Antwort daraus zu generieren. Weil die Algorithmen menschlichen Sprachmustern folgen, wirkt die Kommunikation des ChatGPT menschlich auf uns. GPT steht für Generative Pre-trained Transformer. Durch trainiertes Sprachverständnis werden also neue Texte generiert.

Wie beurteilen Sie den Output?

Wir sehen heute in wenigen Textsorten kurzfristig Potenzial für Effizienzgewinn. Je nach Aufgabenstellung zeigen sich gute, brauchbare, bis absurde Ergebnisse. Früher oder später wird aber auch hier besserer Output kommen. Lernen ist ja die Kerndisziplin der KI. Wir erwarten, dass es sich entwickelt wie bei der Übersetzungs-KI. Obwohl diese weit fortgeschritten ist, braucht es noch immer Post-Editing, Nachbearbeitung. Das fällt je nach Textart unterschiedlich aufwendig aus. Wir sind gespannt, was Google mit Bard und andere Anbieter liefern werden. Es ist zu hoffen, dass diese Konkurrenz eine Qualitätskonkurrenz in Bezug auf den Output sein wird. ChatGPT ist in der Experimentierphase. Der OpenAI-Chef Sam Altman sagte selbst: «Die Leute betteln geradezu darum, enttäuscht zu werden – und das wird auch passieren.»

Ihre Linguistik-Teams werden also in absehbarer Zeit nicht arbeitslos?

Ganz sicher nicht. Der Bedarf nach mehrsprachigen Contents steigt seit zwei Jahrzehnten rasant, parallel zur globalen digitalen Vernetzung. Ohne KI wäre die Welt schon lange nicht mehr in der Lage, Inhalte zeitnah mehrsprachig aufzubereiten. Zweitens steigt die Nachfrage nach Content für Marketing und Unternehmenskommunikation. Seit Mensch und Maschine zusammenarbeiten, hat sich das Berufsbild unserer Linguistinnen und Linguisten gewandelt. Neben Sprachwissen wird fachliche Expertise und Lektorat-Kompetenz wichtiger. Nehmen wir den Geschäftsbericht. Selbst die beste Maschine wird in absehbarer Zeit die sprachliche Präzision, die behördlichen und juristischen Anforderungen und Terminologien nicht adäquat liefern können, schon gar nicht mehrsprachig. Hinzu kommt das Thema Datensicherheit. Es ist kaum denkbar, dass Unternehmen ihre Finanzdaten einer weltweit zugänglichen Software zwecks Textgenerierung übergeben. Ein weiteres Thema: Spezifika eines Unternehmens, die Corporate Language. Ich denke es werden noch Jahre ins Land gehen, bis eine KI allein all diese Kompetenzen in wohlbalancierter Sprache liefert und gewünschte Kommunikationsziele präzis erreicht.  

Man muss der KI also auf die Finger schauen.

Absolut. Unsere Sprachfachleute analysieren die maschinenerstellten Contents sprachlich, stilistisch aber eben auch inhaltlich. Nur so ist eine Qualitätssicherung möglich.

Wird der Wert von guter Sprache künftig leiden?

Nicht da, wo Vertrauen alles ist, wie in der Unternehmenskommunikation. Gute Sprache in Verbindung mit hochwertigem und überzeugendem Inhalt wird sogar noch wichtiger werden.

Nachteile einer KI wie ChatGPT?

Wir sehen, dass ChatGPT auf komplexe Fragen oft falsche, unpräzise Antworten gibt. Nur ein Beispiel: Im wissenschaftlichen Kontext gibt der Chatbot Quellen an, deren Ursprung nicht nachvollziehbar sind. Das sollte den Machern zu denken geben. Bei Kreativ-Textsorten fürs Marketing sehen wir einige erstaunliche, über alles gesehen aber bestenfalls amüsante Ergebnisse.

Wo liegt das Problem?

In der Marketingkommunikation müssen Texte bekanntlich Emotionen auslösen. Da wird es komplex. Im Kontext eines Produkts oder einer Dienstleistung unmittelbar und gezielt die gewünschte Emotion oder Aktion auszulösen, ist hohe Kunst. Dazu braucht es emotionale und soziale Intelligenz und ein exaktes Wissen über die Zielgruppe. Es geht also um das Wissen darüber, wie etwas verstanden wird und wie es empfunden wird. Ein wichtiger Punkt ist die regionale Befindlichkeit. Unsere muttersprachlichen Sprachprofis, insbesondere die Texterinnen und Texter unseres Creative-Teams wissen, welche sprachlichen Wendungen und Wortspiele in einer Region funktionieren und welche nicht. Wir nennen diese Fähigkeit in der Kreativsprache und in der Übersetzung Lokalisierung. Damit ist KI überfordert. Ob und wann sie diese Kompetenz erlangen wird, wissen wir nicht. Im Moment ist der Weg dahin noch weit.

Könnte der Chatbot Text generieren, der maximal SEO-konform ist und in kurzer Zeit Traumrankings beschafft?

Gefragt sind hochwertige Inhalte, sprich Informationsmehrwert. Google erkennt, wenn Content gezielt für die Suchmaschine erstellt ist. Das verstosse gegen deren Richtlinien. Es sei nicht wichtig, ob Maschine oder Mensch den Text erstellt habe. Wichtig sei laut Google, dass Content für den Menschen hilfreich sei.

Wie sehen Sie den Einsatz von Sprach-KI in der Unternehmens-kommunikation?

Diese Frage stellen sich viele Unternehmen. Wir sehen viele spannende Einsatzmöglichkeiten für KI-Sprach- und Kommunikationstools für unsere Kundinnen und Kunden. Es braucht Ressourcen, um KI zielführend in die Informations- und Kommunikationstechnik zu implementieren. Wir können helfen, die internen Prozesse zu durchleuchten und KI sinnvoll einzusetzen – so, dass sie zu einer wertvollen Unterstützung werden.

Quantensprung, Revolution, Hype? Wie sollte man denn nun auf ChatGPT blicken?

Bisher lag der Fokus der Tech-Riesen auf dem Sammeln von Daten. Jetzt geht es darum, die Daten möglichst sinnvoll zu verwerten. OpenAI hat mit ChatGPT ein kleines Fenster geöffnet. Durch dieses blickt die Welt gerade und staunt. Wir alle sehen, wie unsere Daten verwertet werden. Wir werden künftig noch oft staunen. 

Haben Sie Fragen zur Sprachtechnologie oder zu einem geplanten Projekt?

Gerne informiere ich Sie über unsere Entwicklungsabteilung sowie unsere technologischen Möglichkeiten und stelle Ihnen die Apostroph Group näher vor.
Philipp Ursprung
Head of Translation Technology
Apostroph Team Philipp Ursprung

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