Der sogenannte Urduden von 1880 war 27'000 Stichwörter schmal, die Ausgabe von 2020 ist 148'000 Begriffe dick. Dazwischen liegen 140 Jahre, und mit Sicherheit könnten wir mit zahlreichen Begriffen aus der Erstausgabe nichts anfangen. Auch jetzt sind wieder ein paar alte Wortzöpfe abgeschnitten worden. Unter anderem hat die Redaktion dem Jägersmann und der Vorführdame den Laufpass gegeben, die Kabelnachricht gestrichen und die verbalen Schöpfungen «erschrecklich» und «saugrob» aus dem sprachlichen Verkehr gezogen. Weggefallen sind wenige, neu hinzugekommen dagegen umso mehr.
Für den Duden ist Corona nicht neu, das Insektensterben dagegen schon
Corona stand bereits im alten Nachschlagewerk, allerdings nur als weiblicher Vorname. In Zukunft dürften wohl die wenigsten Eltern ihre Töchter so taufen. Wie zu erwarten, hat die Pandemie einige Spuren im Duden 2020 hinterlassen. Covid-19, Social Distancing, Lockdown, Atemschutzmaske, Herdenimmunität, Reproduktionszahl und Homeoffice gehören zu diesen Neuzugängen. Die Wortschöpfung Geisterspiel ist zwar keine neue Erfindung, aber auf dem Covid-Boden so richtig aufgeblüht.
Auch die Bewegung Fridays for Future macht im gelben Standardwerk von sich reden. Denn wen lässt heute noch das Insektensterben kalt und wen das Mikroplastik, das die Meere verschmutzt? Zudem fordern wir pestizidfreie Nahrung, wünschen uns bienenfreundlichere Landschaften, leiden unter Flugscham und hoffen, dass wir die Klimakrise meistern. Aber solange es Dinge wie die Dieselaffäre gibt, herrscht leider immer noch dicke Luft.
Die deutsche Sprache auf dem Rückzug
Der ganze Titel der Duden-Erstausgabe von 1880 lautete: Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Seit damals ist viel geschehen, unter anderem die Digitalisierung, die uns bereits mit zahllosen Anglizismen beglückt hat. Weitere sind dazugekommen. So liken wir Netflixserien, versehen unsere Kommentare in der Whatsapp-Gruppe mit Zwinkersmileys, folgen Influencern, benutzen Uploadfilter, vereinbaren keine Termine, sondern doodeln, flitzen mit Elektroscootern durch die Gegend, vergessen wie immer das Aufladen der Powerbank und finden Tiny Houses cool. Cool war vor langer Zeit auch einmal neu, aber inzwischen haben wir den Begriff längst adoptiert. Ein Lichtblick im Wust der Anglizismen ist das Katzenvideo, das einfach nur Katzenvideo heisst und nicht etwa Cat Video. Obwohl, der Wortteil Video ist ja auch nicht deutscher Herkunft, sondern aus dem Lateinischen entlehnt.
Selbstverständlich haben auch deutsche Ausdrücke den Sprung in das Nachschlagewerk geschafft. Während der Männerdutt und das Bartöl wohl den Hipstern zu verdanken sind, kommen die Dachbegrünung und die Masernimpfung aus ganz anderen Ecken. Und dann ist da noch das Einlaufkind. Für alle Nichtfussballfans: Es sind jene Mädchen und Buben, die an der Hand von Messi & Co. ins Stadion «einlaufen».
Bei den drei Neuzugängen Hatespeech, Hasskommentar und Alltagsrassismus kann man nur hoffen, dass sie bald wieder aus dem Duden entfernt werden können.
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