Sie legen Wert auf eine gepflegte, alltagstaugliche Sprache. Da kann es beim Gendern schon mal schwierig werden. Aber es gibt praktikable Lösungen. Wichtig ist, dass Sie ein Signal aussenden: Unsere Tür steht offen für alle Zielgruppen. Mit einer zeitgemässen, genderneutralen Unternehmenssprache machen Sie den Unterschied im Wettbewerb. Gehen Sie es systematisch an:
1. Bilden Sie ein vielfältiges «Gender-Team»
Ihr Team sollte vielfältig sein in Bezug auf
- Alter,
- Geschlecht,
- Unternehmensbereich und
- Hierarchiestufe.
Sie brauchen Leute, die Ihre wichtigsten Anspruchsgruppen repräsentieren – Kundinnen, Kunden, Mitarbeitende und weitere Stakeholder. Eine Person, die mit Ihrer Unternehmenssprache bzw. der Unternehmenskommunikation vertraut ist, sollte das Kick-off-Meeting vorbereiten und leiten. Je nach Grösse Ihres Unternehmens sollte das Team aus 4 bis 8 Personen bestehen.
2. Organisieren Sie ein inspirierendes Kick-off
- Umreissen Sie kurz die wichtigsten Gründe und Vorteile für eine gendergerechtere Unternehmenssprache
- Beflügeln Sie Ihre Diskussion gleich zu Beginn. Zeigen Sie, wie Gendern funktionieren kann – mit Beispielen wie diesen:
3. Gehen Sie es gelassen an
So einfach wie in Punkt 2 ist es leider nicht immer. Gehen Sie die Sache trotzdem gelassen an. Versuchen Sie nicht, Ihre Unternehmenssprache auf einen Schlag gendergerecht umzukrempeln. Perfektion ist nicht das Ziel. Sie machen den ersten Schritt – und das ist wertvoll und wichtig.
- Es geht nicht um eine perfekte Langfristlösung. Ihr Ziel muss sein, Ihren internen und externen Anspruchsgruppen (Stakeholder) mit Ihrer Kommunikation ein Signal zu senden, das lautet: Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt. Wir bemühen uns um eine genderneutrale Sprache.
- Machen Sie sich bewusst: Es gibt ihn nicht, den Königsweg oder den Königinnenweg fürs Gendern. Starten Sie also ganz im Sinne des US-Epidemiologen Anthony Fauci, der sagte: «Don’t let the perfect be the enemy of the good.»
- Credo: Wir legen los und erarbeiten einen Gender-Leitfaden, der sich wie unsere gesamte Unternehmenssprache weiterentwickeln wird.
4. Das wichtigste Kriterium: die Identität Ihrer Firma
Sie brauchen Kriterien für einen Gender-Leitfaden, der zu Ihnen passt. Wenden Sie sich Ihren Zielgruppen und der Identität und Kultur Ihres Unternehmens zu – sie machen die Gendermusik.
- Unsere Identität und Kultur – wer/wie sind wir und für was steht unser Unternehmen?
Bestimmen Sie die 5 wichtigsten Punkte mit Blick auf Leitbild, Mission, Firmengeschichte, Corporate Identity/Corporate Language - Unsere Marke
Bestimmen Sie die 3 wichtigsten Attribute Ihrer Marke und Ihrer Produkte/Dienstleistungen - Das Profil unserer Kundinnen und Kunden
Bestimmen Sie die 3 wichtigsten Merkmale/Eigenschaften
5. Nicht alles über einen Leisten brechen
Klingt Ihre Unternehmenssprache überall gleich? Nein. Neben Ihren Zielgruppen sind auch Ihre Textsorten, Medien und Kommunikationsplattformen zu beachten. Eine gute Corporate Language bricht nicht alles über einen Leisten. Sie wird den vielfältigen Kommunikationszielen auf verschiedenen Medien gerecht. Das gilt auch fürs Gendern.
- Natürlich müssen Sie nicht für jedes Medium einen massgeschneiderten Gender-Leitfaden ausarbeiten. Machen Sie sich klar, dass Ihre Gender-Regeln für viele Kommunikationsformen anwendbar sein müssen. Auch hier gilt: Try & Error statt Perfektion.
- Rufen Sie sich Ihre wichtigsten Print- und Digital-Medien ins Bewusstsein, wie etwa: Korrespondenz mit Kundinnen und Kunden, Mail-Templates, Telefonansage, Unternehmensvideo, Geschäftsbericht, interne Mitteilungen, Medienmitteilungen, Zeitung/Magazin für Mitarbeitende, Social Media, Intranet, Werbemedien etc. Bestimmen Sie Ihre Mindeststandards je Unternehmensmedium (siehe Box «Rollenklischees»).
- Schnüren Sie für die erste Version Ihres Leitfadens kein enges Gender-Korsett, das für die Mitarbeitenden in der Praxis schwer umsetzbar ist.
- Legen Sie gleich zu Beginn den Umfang Ihres Leitfadens fest. Empfehlung: maximal 2 Seiten plus konkrete Beispiele (vorher/nachher) aus Ihren Unternehmenstexten.
6. Die Gendervarianten: Werden Sie konkret
Sie haben den Rahmen für Ihren Gender-Leitfaden nun geklärt. Formulieren Sie jetzt Ihre Standards und bedenken Sie dabei Folgendes:
- Die meisten Gender-Sprachvarianten haben Vor- und Nachteile. Einige behindern den Sprachfluss, einige die barrierefreie (vorlesbare) Textversion, andere verlängern die Texte.
Orientieren Sie sich in dieser praxisnahen Übersicht der Gendervarianten und Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen. - Schliessen Sie Varianten aus, die keine Überlebenschancen haben. Genderzeichen wie etwa Trema (Leserïnnen), Ausrufezeichen (Leser!innen), Gender-1 (Leser1innen), Circumflex (Leserînnen) sind bisher auf zu wenig Akzeptanz gestossen, als dass sie die genderneutrale Sprache der Zukunft prägen könnten. Diskutieren Sie nicht zu lange über Varianten, die nicht zu Ihrem Unternehmen passen. Das können auch sämtliche Genderzeichen (Leser*innen, Leser:innen, Leser_innen etc.) sein. So haben es selbst die grössten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen entschieden, die dennoch Lösungen finden, das generische Maskulinum Schritt für Schritt zu verdrängen.
- Suchen Sie nicht nach der In der Praxis bewähren sich Mischformen, zum Beispiel aus Paarform, neutraler Schreibweise oder Schrägstrich.
Mit der Anwendung mehrerer Varianten finden Sie zu einer gut lesbaren, flexiblen und eleganten Unternehmensschreibweise.
Ein Muss für jeden Gender-Leitfaden: Weg mit den Rollenklischees!
Auch wenn Sie nicht alle gendersprachlichen Probleme auf einen Schlag lösen können. Es gibt etwas, das Sie auf jeden Fall bereinigen müssen: Sprache, die stereotype Rollenbilder manifestiert. Sie schadet jeder Corporate Language. Beispiel: Selbst wenn Ihre Techniker allesamt männlich sind, gibt es gute Gründe vom Technikteam zu sprechen – das öffnet die Tür für interessierte Frauen, die bei Ihnen in der technischen Abteilung arbeiten möchten.
7. Integrieren Sie den Gender-Leitfaden im gesamten Unternehmen
Wie Ihr Firmenlogo trägt auch Ihre Art des Genderns zu Ihrer Corporate Identity bei. Ihr Gender-Leitfaden ist Teil Ihrer Corporate Language.
- Motivieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, die Gender-Regeln anzuwenden – in allen schriftlichen Kommunikationen, in der persönlichen Kommunikation und am Telefon. Begegnen Sie «Verstössen» mit Verständnis. Sprachwandel braucht Zeit. Auch in Unternehmen.
- Schaffen Sie Sympathie, Verständnis und Akzeptanz für die Anwendung genderneutraler Sprache. Empfehlung: ein Beitrag pro Jahr in internen Medien.
- Bleiben Sie am Ball. Sprache entwickelt sich gerade dynamisch in Richtung Genderneutralität. So stellen Swiss und Lufthansa Group ihre gesamte Kommunikation genderneutral um. Selbst die Passagieransprache «Damen und Herren» kommt unter die Räder.
- Ihr Gender-Leitfaden ist wie eine Software. Er braucht regelmässige Updates und gehört mindestens einmal pro Jahr auf die Agenda von CI-Meetings.
Unterstützung für die Erstellung Ihres Gender-Leitfadens finden Sie auf der Gender-Webseite von Johanna Usinger. Eine wahre Fundgrube, die sich seit vielen Jahren als unabhängige Gendersprachquelle für die praktische Anwendung bewährt. Hier finden Sie Gender-Varianten, Vorschläge für gendergerechte Wortoptionen, praxistaugliche und kreative Tipps & Tricks sowie ein Add-In-Tool (Microsoft) für den Einstieg in die gendergerechte Sprache: geschicktgendern.de
Autorin:
Sabine Ingwersen ist Kommunikationsberaterin, Texterin, Redaktorin. Sie schreibt und publiziert zu Corporate-Communication-Themen bei Apostroph.
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